Zwei Vorträge

Zu den Herausforderungen des digitalen Kapitalismus…

  • 23.08.2023
  • News

… gehört auch die Gestaltung von hybridem Arbeiten. Mit zwei Beiträgen hat die Kooperationsstelle zur interdisziplinären Diskussion der internationalen Tagung Work2023 beigetragen.

Die Tagung der Universität Turku (Finland) widmete sich unter dem Titel „Digital Capitalism: Peril und Possibilities“ den Herausforderungen des digitalen Kapitalismus. Die Tagungsthemen waren breit gefächert. Zum einen ging es um Aspekte des täglichen Lebens, der Konflikte von Arbeiten und Privatleben oder um Gesundheit und Wohlbefinden. Zum anderen um die betriebliche Gestaltung des organisationalen Wandels, um den Robotereinsatz sowie um Hybrid Work. Stärker aus gesellschaftspolitischer Perspektive wurden zudem die Wirkungen des Klimawandels auf die Arbeitswelt und vor allem die gesellschaftlichen Folgen der Plattformarbeit betrachtet.

Mit sechzehn Beiträgen hat die Frage, inwieweit hybrides Arbeiten einen Weg zu einer besseren Arbeitswelt verspricht, auf der Tagung großen Raum eingenommen. Für die Kooperationsstelle hat Thomas Hardwig in seinem „Hybrid work – Development for the better or for the worse” gezeigt, dass die Bewertung von hybridem Arbeiten sowohl aus Beschäftigten-, als auch aus Arbeitgebersicht sehr ambivalent ausfällt. Hinzu kommt, dass es schwierig ist, zu entscheiden, ob Hybrid work zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen beitragen wird, da sich die Bewertungskriterien wandeln: Insbesondere hochqualifizierte Wissensarbeitende bringen verstärkt Ansprüche aus der Lebenswelt ein (Flexibilitätserwartungen von Arbeitszeit und Arbeitsort), die bei einer klassischen Bewertung der Arbeitsbedingungen bislang kaum eine Rolle gespielt haben. Teilweise geht die Erfüllung dieser Flexibilitätswünsche zu Lasten der Teameffektivität und des Teamzusammenhalts. Kriterien, die eine klassische Bewertung dagegen ins Zentrum stellen würde. Hinzu kommt, dass die klassischen Bewertungskriterien für die Arbeitsgestaltung von „guter Arbeit“ um neue Aspekte ergänzt werden müssen, die durch Besonderheiten von hybrider Arbeit wichtiger werden: ein extrem hoher Grad an Wechsel zwischen den Arbeitsplätzen, ein reduzierter direkter sozialer Kontakt zwischen Teammitgliedern und mit angrenzenden Arbeitsbereichen sowie eine erhöhte Komplexität der Beurteilung der konkreten Arbeitsbedingungen durch die für Arbeitsgestaltung verantwortlichen Fach- und Führungskräfte.

In seinem zweiten Beitrag “Hybrid work – actually not a sustainable concept” entwickelt Thomas Hardwig seine früheren Überlegungen weiter:

Wenn eine hybride Arbeitsorganisation eher kein nachhaltig stabiles Arbeitskonzept ist, wo müssten die Unternehmen gezielt ansetzen, um die Arbeit zu gestalten? Zweifel an der Nachhaltigkeit werden dadurch begründet, dass bei qualifizierter Wissensarbeit, die vorwiegend Teamarbeit ist, durch das Arbeiten auf Distanz die sozialen Grundlagen der Zusammenhalt untergraben werden. Deshalb muss hybrides Arbeiten in Unternehmen in fünf Handlungsfeldern gestaltet werden, um diesen negativen Effekte gezielt entgegenzuwirken.

Als ein wesentliches Ergebnis der Diskussionen auf dieser Tagung zu Hybrid work ist festzuhalten, dass diese Gefährdung des sozialen Fundaments der Zusammenarbeit nicht umstritten ist. Teilweise war es ausdrückliches Thema. Etwa in einer quantitativen Auswertung einer Erhebung unter finnischen Beschäftigten. Sie ergab, dass die Arbeit zu Hause eher mit höherer Arbeitszufriedenheit verbunden ist. Jedoch werden von Beschäftigten mit höherem Anteil an Arbeit auf Distanz, mehr Schwierigkeiten benannt, sich zur „work community“ zugehörig zu fühlen (Tuomo Alasoini et al, Finnish Institute of Occupational Health). Ein höherer Grad an Virtualität von Gruppensituationen bei der Arbeit erschwert die Erfüllung von psychologischen Grundbedürfnissen der Beschäftigten (Ilmari Puhakka et al, Universität Tampere). Entsprechend haben Führungskräfte einen höheren Aufwand, da die Pflege des sozialen Kontextes der Zusammenarbeit und die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Teams notwendig werden (Laura Urilla et al, Universität Vaasa).

Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten kommt es nun darauf an, aus diesen Erkenntnissen Konsequenzen zu ziehen. Verantwortliche für die Arbeitsgestaltung, Führungskräfte und Betriebs- und Personalräte sollten den Aspekt des sozialen Zusammenhalts in ihren Teams bzw. Belegschaften sehr bewusst gestalten.