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Arbeit mit Kollaborationsplattformen betrieblich regeln

  • 30.03.2020
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Kollaborationsplattformen ermöglichen es, von jedem Ort und zu selbst gewählten Zeiten zu den Arbeitsergebnissen eines Teams beizutragen. Durch ihre Social Media Funktionen wird zudem ein firmenweiter Wissensaustausch unterstützt. Diese neuen Formen der Zusammenarbeit eröffnen für Beschäftigte und Arbeitgeber Chancen und Risiken.

Chancen liegen z. B. in der erhöhten Zeitsouveränität durch das flexible Arbeiten. Für Beschäftigte ergeben sich daraus Möglichkeiten einer besseren Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf. Die Tools können aber auch die Entgrenzung und einen erhöhten Arbeitsdruck bewirken – je nachdem. Für Arbeitgeber, die ihre Fürsorgepflicht ernst nehmen, stellen sie eine Herausforderung bei der Überwachung der Einhaltung der Arbeits- und Ruhezeiten ihrer Beschäftigten dar – wenn die Beschäftigten sich selbst steuern. Ähnlich ist es mit der erhöhten Transparenz, die durch die Dokumentation des Stands der Bearbeitung der laufenden Aufgaben auf der Kollaborationsplattform möglich wird: Einerseits bildet sie die Voraussetzung dafür, dass die Teams ihre Aufgaben besser abstimmen und merken können, wenn ein Teammitglied Unterstützung braucht. Transparenz kann aber auch im Sinne einer erhöhten Verhaltens- und Leistungskontrolle missbraucht werden. Auch für Arbeitgeber ist die erhöhte Transparenz nicht nur eine Chance, sondern auch ein Risiko, wenn es etwa darum geht, in netzwerkförmigen, offenen Kommunikationsstrukturen den Datenschutz sicherzustellen.

Ob Kollaborationsplattformen eher ein Risiko oder eine Chance darstellen, hängt von der konkreten Arbeitsgestaltung und den Regelungen ab, die in einem Unternehmen getroffen werden. Es müssen unternehmenspezifische Antworten gefunden werden, welche einerseits die Beschäftigten motivieren, die Chancen der Plattformen zu nutzen, sich intensiver zu vernetzen und ihr Wissen zu teilen. Andererseits ist sicherzustellen, dass Arbeitgeber und Beschäftigte sich darauf verlassen können, dass durch die Nutzung der Plattformen ihre jeweiligen Interessen auch weiterhin gewahrt werden und die Zusammenarbeit sich verbessert.

Gegenüber vor allem kleineren Unternehmen, die keinen Betriebsrat haben, haben Unternehmen mit Betriebs- oder Personalrat, die der Mitbestimmung unterliegen, einen Vorteil: Sie können in betrieblichen Absprachen und mit Betriebsvereinbarungen rechtlich verbindliche Regelungen zur Nutzung der Kollaborationsplattformen und zur Beteiligung der Beschäftigten bei deren Weiterentwicklung treffen. Damit kann die betriebliche Interessenvertretung auf verbindliche Weise Einfluss auf die Bedingungen für die Nutzung der Kollaborationsplattformen nehmen und die Beschäftigten bekommen mehr Sicherheit, dass ihre Interessen z. B. bei den Persönlichkeitsrechten, der Leistungspolitik oder dem Gesundheitsschutz gewahrt werden. Betriebsvereinbarungen geben auch den Arbeitgebern die Sicherheit, dass gemeinsam getragene Spielregeln für die Nutzung der Kollaborationsplattformen existieren, die Raum für die Entwicklung moderner und effizienter Formen der Zusammenarbeit schaffen. Unternehmen ohne formale Mitbestimmung wird empfohlen, sich an Vorgehensweisen und Betriebsvereinbarungen zu orientieren, bei denen die Beschäftigteninteressen eingehend verhandelt werden, weil sie aufzeigen wo Konfliktthemen liegen und wie Einigkeit bei der Nutzung von Kollaborationsplattformen zu erreichen ist.

Vielfach wird der Regelungsbedarf der Arbeit mit Kollaborationsplattformen vom Management und von Betriebs-/ Personalräten unterschätzt. Kollaborationsplattformen sind nicht einfach nur ein Tool, vielmehr greift die dadurch angestoßene neue Form der netzwerkförmigen Zusammenarbeit tief in die etablierten Gewohnheiten der Kommunikation und Zusammenarbeit ein. Hierarchiefreie Kommunikation kann die Unternehmenskultur nachdrücklich verändern. Es ist gut, möglichst frühzeitig die Ziele und Bedingungen für neue Arbeitsformen im Betrieb zu diskutieren und zu regeln.

In den ersten Unternehmen wurden schon Betriebsvereinbarungen zur Arbeit mit Kollaborationsplattformen verhandelt. Wer die neuen Arbeitstrends aufgreifen und proaktiv gestalten will, findet derzeit jedoch zu diesem Thema noch wenig Hilfe und Unterstützung. Das Verbundvorhaben CollaboTeam arbeitet daran, diese Situation zu verbessern. Einen ersten Auftakt hatten wir mit einer Dialogveranstaltung am 21.04.2020 geplant, bei der sich sowohl Vertreterinnen und Vertreter des Managements als auch Betriebsrätinnen und Betriebsräte austauschen sollten. Aufgrund der gegenwärtigen Maßnahmen zum Schutz vor dem Cornona-Virus werden wir diese Veranstaltung virtuell als Webinar anbieten. Ausgewählte Expertinnen und Experten führen in das Thema ein. Der geplante Erfahrungsaustausch muss im Rahmen der eingeschränkten Möglichkeiten eines Webinars stattfinden, per Chat oder Wortbeitrag. Das klären wir noch. Geplant ist auch die Veröffentlichung von Gestaltungsempfehlungen, die Sie dann auf dieser Webseite finden werden. Zu dieser Veranstaltung melden Sie sich bitte in gewohnter Weise ein, wir senden Ihnen die Zugangsinformationen.

Kürzlich sind zu nahe verwandten Themen aus anderen BMBF-Verbundvorhaben (prentimo, DIGAP) auch erste Empfehlungen zur tarif- und betriebspolitischen Regelung veröffentlicht worden: Mobile Arbeit und Agile Arbeit. In Broschüren werden Arbeitsergebnisse präsentiert, die aus der wissenschaftlichen Begleitung von Unternehmen hervorgehen und gewonnene Erkenntnisse für die betriebliche Praxis aufbereiten. 

Was lässt sich ich aus der Lektüre dieser Empfehlungen lernen? Zunächst werden in den beiden Broschüren keine Standardlösungen präsentiert, sondern vielmehr eine Systematik der möglichen Regelungsgegenstände und Themen vorgestellt, mit denen sich die Betriebsparteien beschäftigen müssen. Es werden die Richtung möglicher Lösungen aus gewerkschaftlicher Sicht beschrieben und betriebliche Erfahrungen geteilt. Auffällig ist, wie häufig auf weiterführende Literatur über mobile Arbeit oder agile Arbeit verwiesen wird.  

Die Lektüre hat bestätigt, dass die Arbeit mit Kollaborationsplattformen ein eigenständiges Regelungsthema ist, bei dem manches, was bei mobiler Arbeit zu regeln ist, vielleicht übertragen werden kann (z. B. Thema Datenschutz und Persönlichkeitsrechte, Führung), aber auch eine ganze Reihe von eigenen Akzenten gesetzt werden muss (z. B. Nutzung von Kollaborationsplattformen, Berechtigungen, Umgang mit Transparenz, Qualifizierung und Betreuung von Nutzerinnen und Nutzern). Ähnlichkeiten dürften sich beim Vorgehen ergeben, wie man zu einer Regelung kommt, und die Notwendigkeit, bestehende Regelungen zu überprüfen und anzupassen (z. B. zum Datenschutz, Arbeitszeit). Als Voraussetzung für den Abschluss einer guten, d. h. die betriebliche Nutzung wirklich unterstützenden Betriebsvereinbarung, ist es nötig, die Anforderungen an die Gestaltung der Arbeit mit Kollaborationsplattformen tiefer zu verstehen. Wo liegen die Potenziale der Nutzung einer Kollaborationsplattform für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in unterschiedlichen Unternehmensbereichen mit jeweils unterschiedlichen Tätigkeiten und Bedürfnissen der Zusammenarbeit. Wir fühlen uns ermuntert, unsere Arbeit zum Verständnis der Gestaltungsdimensionen weiter fortzusetzen, die wir bereits begonnen haben (Nähere Informationen hier). Denn offenkundig ist ein genaues Verständnis der Gestaltungsdimensionen der Arbeit mit Kollaborationsplattformen wichtig, um gute, human-orientierte Arbeit zu erreichen.

Zu diesem Thema wird es Workshops geben, die in Zusammenarbeit mit ver.di und der IG Metall durchgeführt werden. Den ver.di Workshop, der im Mai terminiert war, haben wir jetzt auf den 26. August 2020 verschoben. Der Workshop mit der IG Metall ist gegenwärtig noch in Klärung. 

Hier schließt sich der Kreis: Denn auch in den Unternehmen, die keine Betriebsvereinbarungen abschließen können, muss die Arbeit mit Kollaborationsplattformen gestaltet werden. Und das Management muss – beispielsweise im Rahmen eines Beteiligungsprozesses von Beschäftigten – klare Regeln für die Nutzung der Kollaborationsplattformen schaffen und das Vertrauen aufbauen, dass bei der Nutzung der Kollaborationsplattformen die Interessen der Beschäftigten berücksichtigt werden. Die Beschäftigung mit den Regelungstatbeständen und die Erfahrungen von mitbestimmten Unternehmen weisen den Weg, an dem sich die Regelung in den anderen Unternehmen orientieren kann.