Repräsentative Befragungsergebnisse

Wirkungen der Digitalisierung der Arbeit

  • 05.11.2017
  • Thomas Hardwig
  • News

Ein Blick in die Sonderauswertung des DGB-Index „Gute Arbeit“ zeigt, wie mit betrieblicher Gestaltung von kollaborativer Team- und Projektarbeit die Arbeitsqualität verbessert werden kann.

Verlässliche Aussagen über die Effekte der Digitalisierung auf die Qualität der Arbeit sind schwer zu gewinnen. Für die Ableitung gezielter Gestaltungsmaßnahmen ist jedoch eine Abschätzung der zu erwartenden Wirkungen unverzichtbar. Das gilt auch für die Gestaltung kollaborativer Team- und Projektarbeit, dem Ausschnitt des Digitalisierungsprozesses, für den das Verbundprojekt Collaboteam Gestaltungslösungen entwickelt. Daher waren wir neugierig auf die Ergebnisse der repräsentativen Beschäftigtenbefragung des DGB-Index „Gute Arbeit“ zur Digitalisierung der Arbeit.

Die Schwierigkeit besteht darin, dass der Einsatz kollaborativer Anwendungen nur einen kleineren Teil der Digitalisierung der Arbeit beschreibt. Die Arbeit kann auch mit Datenbrillen, Scannern, Diagnosegeräten unterstützt werden oder durch softwaregestützte Prozesse sowie durch Robotereinsatz automatisiert werden. Entsprechend stellt sich die Frage, inwieweit die allgemeinen Ergebnisse auch spezifische Anregungen für die Gestaltung kollaborativer Team- und Projektarbeit geben können.

Eine Eingrenzung gelingt überraschend gut, wenn die großen Unterschiede zwischen den Branchen beachtet werden. In der IKT Branche ist nicht nur der Grad der Digitalisierung mit am höchsten, sondern vor allem wohl der Einsatz kollaborativer Anwendungen: Denn in dieser Branche ist mit 97,3 % der Anteil der Befragten, die elektronische Kommunikationsmittel einsetzen, und mit 88,3 %, der Anteil, die über das Internet gemeinsam an einem Projekt arbeiten, viel höher als in allen anderen Branchen. Nur in der Rechts- und Steuerberatung ist der Digitalisierungsgrad insgesamt höher (S. 20). Jedoch liegt die IKT-Branche bei der gemeinsamen Arbeit an Projekten mit Abstand weit vorne. Mit aller Vorsicht können wir die Ergebnisse dieser Branche also als Hinweis auf die mit Kollaboration verbundenen Gestaltungsanforderungen verwenden.

Grundsätzlich bietet die gezielte Nutzung kollaborativer Anwendungen die Möglichkeit, die Entscheidungsspielräume der Beschäftigten wann, wo und wie sie ihre Aufgaben erledigen, zu erweitern und die Möglichkeiten, Belastungen der Arbeit besser zu regulieren. Dies schlägt sich, dort wo dies gelingt, auch in der Verbesserung der Work-Life-Balance nieder. Die Werkzeuge bieten auch die Möglichkeit, Unterbrechungen und Störungen bei der Arbeit zu reduzieren, indem Informationen transparent bereitgestellt und effektiver geteilt sowie Nachfragen besser gesteuert werden können. Wenn die Arbeitskolleg/innen ihre Statusanzeige auf „beschäftigt“ setzen, kann Rücksicht genommen und Störungen vermieden werden. Natürlich zielt der Einsatz kollaborativer Anwendungen auch darauf, ein konzentrierteres, effektiveres Arbeiten zu ermöglichen. Und es ergibt sich durch die Digitalisierung eine größere Transparenz über die Arbeit. Entsprechend stellt sich die Frage, inwieweit die potentiellen Vorteile durch eine Steigerung der Arbeitsbelastung und eine größere Kontrolle der Arbeitsleistung wieder zunichtegemacht werden.

Die Ergebnisse der Sonderbefragung zeigen sehr deutlich, dass die mit dem Einsatz kollaborativer Anwendungen verbundenen Erwartungen im Wesentlichen eintreten: 30 % der Befragten (in der IKT-Branche) nehme eine Erweiterung ihrer Entscheidungsspielräume bei der Arbeit wahr, 60 % können ihrer Arbeit stärker von unterwegs oder von zu Hause erledigen und 30 % nehmen eine Verbesserung der Work-Life-Balance wahr. Es gibt aber auch eine betriebliche Arbeitsgestaltung, die den Gestaltungsspielraum der Beschäftigten verringert (4 % IKT) und durch Arbeitsverdichtung auch zu einer Verschlechterung der Work-Life-Balance beiträgt (12 %).  Insgesamt sehen in dieser Branche 45 % der Beschäftigten durch die Digitalisierung steigende Belastungen (für 52 % sind sie unverändert), vor allem die Arbeitsmenge hat sich nach Ansicht von 61 % der Befragten und das Multitasking (59 %) erhöht (S. 50).  

Im Vergleich zu den anderen Branchen erscheint die IKT-Branche und damit wahrscheinlich auch kollaborative Team- und Projektarbeit ambivalent: Zwar sind die Entscheidungspielräume und die Wahlmöglichkeiten des Arbeitsortes spürbar größer und die Work-Life-Balance wird besser beurteilt. Aber die Arbeitsbelastung insgesamt wird eher durchschnittlich beurteilt, denn die steigende Arbeitsmenge (61 % IKT zu 56 %) und das Multitasking (59 % zu 57 %) stellen ein größeres Problem als im Mittel der Branchen dar. Wie die Beschäftigten die Vor-und Nachteile am Ende insgesamt bilanzieren, berichtet die Sonderauswertung leider nicht. Der DGB-Index der Beschäftigten, die in (sehr) hohem Maße mit digitalen Mitteln arbeiten fällt mit 63 Punkten zu 61 gegenüber den Beschäftigten, die in geringem Maße mit digitalen Mitteln arbeiten, nur unwesentlich günstiger aus. Aber diese Ergebnisse beziehen sich auf alle Befragten und nicht auf den betrachteten Ausschnitt.    

Mit einer entschlossenen Arbeitsgestaltung, die auf die Humanisierungspotenziale abzielt, sollte diese Ambivalenz gezielt aufgelöst werden. Die Sonderauswertung beschreibt vier Einflussfaktoren, die der betrieblichen Arbeitsgestaltung zuzurechnen sind, mit der die Wirkungen der Digitalisierung beeinflusst werden können. Anstrengungen der Betriebe in diesen Bereichen zahlen sich aus, da es einen Zusammenhang zur Bewertung der Arbeitsqualität insgesamt gibt:

Erstens spielt eine zentrale Rolle, welche Freiheitsgrade die Beschäftigten bei der Bewältigung ihrer Arbeit eingeräumt werden: Dort wo die Beschäftigten Einfluss auf die Arbeitsmenge nehmen können, ist der Anteil derjenigen, die sich bei der Arbeit gehetzt fühlen geringer (S. 51). Und möglicher Weise nicht deshalb, weil weniger geleistet wird, sondern die Nebenwirkung der Überforderung vermieden werden.

Zweitens wirkt sich positiv aus, wenn die Beschäftigten Einfluss auf die Art und Weise der Gestaltung der digitalen Technik an ihrem Arbeitsplatz nehmen können. Der Anteil derjenigen, die in hohem oder sehr hohem Maß Einfluss nehmen können, beträgt derzeit nur 24 % (S. 42). Aber dieser Faktor steht in sehr hohem Zusammenhang mit der Gesamtbeurteilung der Arbeitsqualität. Da die Nutzung kollaborativer Anwendungen sehr stark vom Engagement der Beschäftigten bestimmt wird, liegt es somit doppelt nahe, dieses Potenzial auszuschöpfen.  

Drittens befürchten 38 %, dass die Überwachung und Kontrolle ihrer Arbeitsleistung größer geworden ist. Für die effektive Nutzung kollaborative Anwendungen ist aber ein Vertrauensklima essentiell.

Viertens bietet die Digitalisierung bessere Möglichkeiten, die eigenen Fähigkeiten und Kompetenzen bei der Arbeit weiter zu entwickeln. Zumindest sagen dies 74 % der digital Arbeitenden (gegenüber 59 % der nicht digital arbeitenden). Entsprechend sollte über den Einsatz von gezielten Tutorials, Foren, Wikis usw. nachgedacht werden.

Auch wenn konkrete Daten zu den Wirkungen der kollaborativen Anwendungen weiterhin fehlen, zeigen die Ergebnisse der Sonderbefragung wo die betriebliche Arbeitsgestaltung ansetzen kann und mit welchen Nutzen eine gezielte Arbeitsgestaltung für die Qualität der Arbeit haben kann.